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Musiker

Eugen Jochum

Eugen Jochum

geboren am 1.11.1902 in Babenhausen, Bayern, Deutschland

gestorben am 26.3.1987 in München, Bayern, Deutschland

Eugen Jochum

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Eugen Jochum (* 1. November 1902 in Babenhausen im Unterallgäu; † 26. März 1987 in München) war ein deutscher Dirigent und zählt zu den bekanntesten Interpreten der Werke Anton Bruckners.

Leben

Der Sohn eines Lehrers, Organisten, Chorregenten und Leiters des Orchester- und Theatervereins wuchs in einem katholischen Elternhaus zusammen mit seinen Brüdern Otto und Georg Ludwig auf. Bereits mit vier Jahren erhielt er den ersten Klavier- und mit sechs den ersten Orgelunterricht; mit neun half er in den Kirchen seiner Heimat aus. Auf diese Weise entstand der ursprüngliche Berufswunsch Kirchenmusiker. Er studierte zunächst am Augsburger Leopold-Mozart-Konservatorium (Orgel, Klavier) und von 1922 bis 1925 an der Münchner Musikakademie bei Siegmund von Hausegger und Hermann von Waltershausen Orchesterleitung und Komposition und bei Emanuel Gatscher Orgel. Daneben arbeitete er als Korrepetitor an der Münchner Oper.

Sein erfolgreiches Debüt als Dirigent am 16. März 1926 mit den Münchner Philharmonikern mit Bruckners 7. Sinfonie bestimmte dann seinen weiteren Lebensweg. Erste Engagements als Kapellmeister führten ihn nach Mönchengladbach, an das Opernhaus Kiel (1927–29), nach Lübeck, wo er die Leitung der Sinfoniekonzerte des Vereins der Musikfreunde[1] übernahm, und an das Nationaltheater Mannheim. 1930–32 hatte er den Posten eines Generalmusikdirektors am Theater Duisburg und bei den Duisburger Sinfonikern, den er 1932–34 auch bei der Städtischen Oper Berlin innehatte. Dazu war Jochum musikalischer Leiter der Sendung „Funkstunde“, dirigierte die Berliner Philharmoniker und beim Sender Berlin. Als Nachfolger von Karl Böhm war er von 1934 bis 1949 Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper und Leiter des Philharmonischen Orchesters.

Während der NS-Zeit trat er mehrmals bei Konzerten im Rahmen von Veranstaltungen der NSDAP sowie in besetzten Gebieten auf, war aber selbst kein Parteimitglied. So dirigierte er mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg Konzerte zu Hitlers Geburtstag 1933 und beim Besuch Hitlers am 17. August 1934 in Hamburg Arno Parduns Kampflied Volk ans Gewehr.[2] Am 15. Januar 1935 leitete Jochum „in Anbetracht der nationalen Bedeutung“[3] des Tages der Saarabstimmung ein Konzert der Berliner Philharmoniker. Am 24. November 1936 dirigierte der in diesem Jahr von Hitler zum Staatskapellmeister ernannte Jochum für die DAF die Münchner Philharmoniker im 1. KdF-Konzert. Weitere KdF-Konzerte leitete er am 6. Februar und 12. Oktober 1938 in Berlin. Zum Tag der „Deutschen Kunst“ gab er am 15. Juli 1939 ein Konzert am Münchner Königsplatz. In die von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiete unternahm er 1941 eine Tournee mit den Berliner Philharmonikern und konzertierte in Brüssel und Paris. 1943 dirigierte er in Paris ein Konzert des Konservatoriumsorchesters.[4] Andererseits gelang es ihm auch gegen den politischen Druck Werke der vom Regime verfemten Komponisten wie Bartók, Hindemith oder Strawinski aufzuführen, zumindest bis Ende der 1930er-Jahre. Jochums Name steht in der im August 1944 von Hitler genehmigten Gottbegnadeten-Liste.

1949 gründete er das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das er bis 1960 auch leitete und zu einem der führenden Orchester Deutschlands machte, daneben trat er oft als Gastdirigent an der Münchner Oper auf. Zu den Bayreuther Festspielen wurde er in den Jahren 1953 für Tristan, 1954 für Lohengrin und Tannhäuser und 1971 bis 1973 für Parsifal eingeladen.

Nach seiner Tätigkeit in München teilte er sich 1960 bis 1963 mit Bernard Haitink die Führung des Concertgebouw-Orchesters in Amsterdam, mit dem er 1961 eine zweimonatige vielumjubelte Konzertreise durch die USA unternahm. Als Nachfolger Joseph Keilberths hatte er ab 1969 die künstlerische Leitung der Bamberger Symphoniker inne, deren Chefdirigent er von 1971 bis 1973 war und die ihn zu ihrem Ehrendirigenten ernannten.

In den 1960er und 1970er Jahren gastierte er auch vielfach an der Deutschen Oper in Berlin, an der Bayerischen Staatsoper und der Wiener Staatsoper. Jochum zählte in jenen Jahren zu den bekanntesten Dirigenten und wurde von allen führenden Orchestern der Welt verpflichtet.

Würdigung

Eugen Jochum, einer der herausragenden Dirigenten des 20. Jahrhunderts, war noch vom Ende der deutschen Romantik beeinflusst. Neben den von ihm besonders geschätzten Komponisten wie J. S. Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Brahms und Wagner galt seine Vorliebe hauptsächlich dem Werk von Bruckner. Er widmete sich dabei auch den Chorwerken und spielte zwischen 1959 und 1967 erstmals alle neun Sinfonien Bruckners auf Schallplatte ein, die erstmals Ende 1967 als Subskriptionsausgabe und ein weiteres Mal 1973 von der Deutschen Grammophon im Rahmen ihrer 75-Jahr-Jubiläumsedition in einer Kassette als Gesamtaufnahme erschienen. Bei seinen Interpretationen bevorzugte er Originalfassungen in der Notenedition von Leopold Nowak, da „die Brucknerschen Symphonien nur in der ursprünglichen Form möglich sind.“[5] Ab 1950 war er auch Präsident der deutschen Sektion der Internationalen Bruckner-Gesellschaft.

Dem Musikschaffen des 20. Jahrhunderts konnte Jochum nur wenig abgewinnen („Das widerspricht allen meinen Vorstellungen von Musik“[6]), war aber nicht allem verschlossen. Neben den von ihm auch aufgenommenen Werken Orffs (Carmina Burana, Catulli Carmina) und Höllers (Sinfonische Fantasie, Sweelinck-Variationen) zählen zu den unter seiner Leitung stattgefundenen Uraufführungen folgende Kompositionen: Blachers Konzert für Streicher (1942), Egks Suite française (1950), Alberto Bruno Tedeschis Concerto per il principe Eugenio (1951), Hartmanns 6. Sinfonie (24. April 1953) und Einems Tanz-Rondo op. 27 (13. November 1959), die beiden letztgenannten Werke jeweils mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in München.

Zitat

„Meine musikalische Begabung betrachte ich als Geschenk von oben. Ich möchte, daß sie nie Selbstzweck werde, und ich glaube, daß ich die Aufgabe habe zu dienen – Medium zu sein für die Gedanken der großen Meister, die ihrerseits Gedanken des höchsten Wesens aussprechen.“

Eugen Jochum[7]

Auszeichnungen und Ehrungen

  • 1938 Johannes-Brahms-Medaille der Stadt Hamburg
  • 1948 Professor h. c.
  • 1959 Bayerischer Verdienstorden
  • 1962 Investitur in den Päpstlichen Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem[8]
  • 1968 Kulturpreis der Stadt Würzburg
  • 1973 Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland[9]
  • 1981 Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst
  • 1985 Romano-Guardini-Preis
  • 2002 Sonderbriefmarke zu seinem 100. Geburtstag
  • Brucknermedaille der Internationalen Bruckner-Gesellschaft
  • Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste

Diskographie (Hinweise)

Aus der Vielzahl der erhältlichen Aufnahmen auf Ton- und Bildträgern seien hier nur als Beispiele genannt:

  • Anton Bruckner: Die neun Symphonien. Hamburg 2002, Universal Music 469 810-2
    Wiederveröffentlichung der Aufnahmen aus den Jahren 1957–67 mit den Berliner Philharmonikern und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
  • Centenaire Eugen Jochum. Archives 1933–1945. 4-CD-Box; Frankreich 2002, TAHRA Tah 466–469. ADD.
    Mit Werken von Wagner, Brahms, Beethoven, Mozart, Reger und Corelli und den Berliner Philharmonikern, dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg sowie dem Concertgebouw-Orchester.
  • Centenaire Eugen Jochum. Archives 1948–1961. 4-CD-Box; Frankreich 2002, TAHRA Tah 470–473.
    Mit Werken von Mozart, Beethoven, Brahms und Mussorgski und den Berliner Philharmonikern, dem Concertgebouw-Orchester sowie dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
  • Centenaire Eugen Jochum. Archives 1963–1986. 4-CD-Box; Frankreich 2002, TAHRA Tah 474–477.
    Mit Werken von Brahms, Grieg, Schubert, Debussy, Berlioz, Wagner, Bach und Franck und dem Concertgebouw-Orchester sowie dem RIAS-Symphonie-Orchester.

Weitere umfangreiche diskographische Hinweise können der Datenbank des Deutschen Musikarchivs entnommen werde; siehe Weblinks.

Schriften

  • Zur Interpretation des Finales der Vierten Sinfonie von Anton Bruckner. In: Karlheinz Schmidthüs (Hrsg.): Christliche Verwirklichung. Romano Guardini zum 50. Geburtstag. Die Schildgenossen, Beiheft 1, ZDB-ID 208000-x. Burgverlag, Rothenfels am Main 1935. Neuveröffentlichung in: Eugen Jochum. Hrsg. Eugen-Jochum-Gesellschaft e.V., Ottobeuren. Plöger, Annweiler 2005, S. 169–, ISBN 3-89857-185-8[10]
  • Die Originalfassung der Brucknerschen Symphonien. In: Bruckner-Fest Hamburg 1938.Programmheft. Neuveröffentlichung in: Eugen Jochum. Hrsg. Eugen-Jochum-Gesellschaft e.V., Ottobeuren. Plöger, Annweiler 2005, S. 177–, ISBN 3-89857-185-8[10].
  • Zur Phänomenologie des Dirigierens. (Privatdruck). S. l. 1938.
  • Zur Interpretation der Fünften Symphonie von Anton Bruckner. Ein Rechenschaftsbericht. In: Franz Grasberger (Hrsg.): Bruckner-Studien. Leopold Nowak zum 60. Geburtstag. Bruckner-Studien, Band 1964. Musikwissenschaftlicher Verlag, Wien 1964. [11]
  • An der Oper ist gerade das Improvisatorische reizvoll. In: Egloff Schwaiger: Warum der Applaus. Berühmte Interpreten über ihre Musik. Ehrenwirth, München 1968. (Auflage 1973: ISBN 3-431-01285-X).
  • Zur Interpretation der Symphonien Anton Bruckners. Beiheft zur Gesamtaufnahme aller Symphonien Bruckners mit den Berliner Philharmonikern, DGG Stereo 2720037-18. Neuveröffentlichung in: Eugen Jochum. Hrsg. Eugen-Jochum-Gesellschaft e. V., Ottobeuren. Plöger, Annweiler 2005, S. 181–, ISBN 3-89857-185-8[10]

Literatur

  • Stefan Jaeger (Hrsg.): Das Atlantisbuch der Dirigenten. Eine Enzyklopädie. Atlantis, Zürich 1986, S. 178ff., ISBN 3-254-00106-0.
  • Hans-Klaus Jungheinrich: Die großen Dirigenten. Hermes Handlexikon. Econ, Düsseldorf 1986, S. 70f., ISBN 3-612-10045-9.
  • Brockhaus-Riemann Musiklexikon. Hrsg. von Carl Dahlhaus, Hans Heinrich Eggebrecht. Atlantis-Schott, Zürich Mainz 1995, Band 2, S. 260f., ISBN 3-254-08397-0.
  • Stephanie Mauder: Eugen Jochum als Chefdirigent beim Bayerischen Rundfunk. Studien zur Geschichte des Bayerischen Rundfunks, Band 2, ZDB-ID 2322752-7. Lang, Frankfurt am Main (u. a.) 2003, ISBN 3-631-50467-5.
  • Bettina von Seyfried (Zusammenstellung): Eugen Jochum, 1902–1987: zum hundertsten Geburtstag des Dirigenten. Begleitheft zur Auslage des Deutschen Musikarchivs Berlin vom 15. November bis 15. Februar 2003. In: Alfred Cortot, 1877–1962. Die Deutsche Bibliothek, Leipzig (u. a.) 2003, ISBN 3-933641-46-2.
  • Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. Kiel 2004, S. 3426 (CD-ROM-Lexikon).
  • Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. S. Fischer, Frankfurt/M. 2007, ISBN 3-10-039326-0.
  • Wolfgang Schreiber: Große Dirigenten. Mit einem Vorwort von Sir Peter Jonas. Piper, München 2007, S. 362f., ISBN 978-3-492-25072-6.

Weblinks

 Commons: Eugen Jochum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. „Der Verein bestellte den Konzert-Dirigenten und fortan wurde Lübeck zum Sprungbrett für junge Begabungen. Auf Ugo Afferni folgten Hermann Abendroth, Wilhelm Furtwängler, der mit Gustav Mahler befreundete Georg Göhler und der nachmalige Bayreuth-Dirigent Franz von Hoeßlin, Karl Mannstaedt, Edwin Fischer, Eugen Jochum, Ludwig Leschetitzki und Heinz Dressel.“

    Bewegte Orchestergeschichte von Günter Zschacke, In:Die Tonkunst, Oktober 2013, Nr. 4, Jg. 7 (2013), ISSN 1863-3536, S. 498
  2. Tondokument im Deutschen Rundfunkarchiv, DRA 1820113-17
  3. Nationalsozialistische Schlesische Tageszeitung vom 17. Januar 1935
  4. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. Kiel 2004, S. 3421f. (CD-ROM-Lexikon)
  5. zitiert nach: Stefan Jaeger (Hrsg.): Das Atlantisbuch der Dirigenten. Atlantis, Zürich 1985, S. 178, ISBN 3-254-00106-0.
  6. zitiert nach: Stefan Jaeger (Hrsg.): Das Atlantisbuch der Dirigenten. Atlantis, Zürich 1985, S. 181.
  7. Zitiert nach: Stefan Jaeger (Hrsg.): Das Atlantisbuch der Dirigenten. Atlantis, Zürich 1985, S. 182.
  8. Hans Jürgen Brandt: Jerusalem hat Freunde. München und der Ritterorden vom Heiligen Grab, EOS 2010, Seite 105 f.
  9. Bekanntgabe von Verleihungen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In: Bundesanzeiger. Jg. 25, Nr. 159, 25. August 1973.
  10. a b c Inhaltsverzeichnis (PDF).
  11. Inhaltsverzeichnis (PDF).


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