Dizzy Gillespie Big Band

Dizzy Gillespie

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Dizzy Gillespie (gesprochen: gɪˈlɛspi; * 21. Oktober 1917 in Cheraw, South Carolina; † 6. Januar 1993 in Englewood, New Jersey; eigentlich John Birks Gillespie) war ein US-amerikanischer Jazzmusiker (Trompeter), Komponist, Sänger, Arrangeur und Bandleader. Gillespie zählt neben Thelonious Monk und Charlie Parker zu den Wegbereitern des Bebop.

Leben

Gillespie kam als eines der jüngeren von zehn Kindern zur Welt und wurde von seinem Vater, einem Bauarbeiter und lokalen Amateur-Bandleader, in seiner musikalischen Entwicklung unterstützt und gefördert. Mit vier Jahren spielte er Klavier, dann erlernte er autodidaktisch die Zugposaune, und bevor er zwölf Jahre alt war, stieg er um auf die Trompete. Er konnte ein Stipendium für das Laurinburg Institute in North Carolina gewinnen, aber verließ die Schule bald, um Vollzeit-Musiker zu werden.

In jungen Jahren spielte er in zahlreichen Swing-Bigbands: 1935 wurde er in Philadelphia von Frank Fairfax angeheuert, den er kurz darauf verließ. Mit der Band von Teddy Hill bereiste er Europa. Gillespie war ein Wandervogel und spielte von 1939 bis 1941 bei Cab Calloway – der seine abenteuerlichen Soli als „chinesische Musik“ bezeichnete – unter anderen mit Chu Berry und Cozy Cole, bis er im Streit mit Calloway aus der Band geworfen wurde.[1] 1942 spielte er im Orchester von Earl Hines mit Charlie Parker, Sarah Vaughan und Billy Eckstine, während er für Jimmy Dorsey Stücke arrangierte und in der Band von Duke Ellington mitspielte. Auch in der Entwicklung des Bebop spielt er eine wichtige Rolle in experimentellen Jamsessions zusammen mit Thelonious Monk, Kenny Clarke, Charlie Parker und anderen im Minton’s Playhouse in Harlem ab 1941. Eckstines neu gegründete Band, die großteils aus der Hines-Band hervorging, wurde mit Parker, Gillespie und Vaughan ab 1944 die erste Band, die diesen neuen Stil spielte. 1944 spielte er im Quintett von Oscar Pettiford Bebop im Onyx Club und macht mit dem Quintett im selben Jahr auch Aufnahmen mit Coleman Hawkins. 1944 bis 1945 hatte er seine erste Combo mit Parker im Three Deuces und Spotlite.

Im Jahre 1945 nahm er beim Plattenlabel Guild seine ersten historischen Bebop-Platten auf. Ein Jahr später gründete er sein eigenes Orchester, die Dizzy Gillespie Big Band, in der unter anderem Jazzgrößen wie Kenny Clarke, John Lewis, Milt Jackson, James Moody und John Coltrane spielten. Mit dieser Zusammensetzung bereiste er Anfang 1948 die Vereinigten Staaten, Frankreich und Belgien. In seinem Schaffen als Bandleader gelang es ihm, neue Jazzströmungen in einen Big-Band-Kontext zu übertragen. 1950 löste er die Gruppe aus finanziellen Gründen auf und spielte hauptsächlich mit Kleinformationen. Gelegentlich stellte er allerdings noch immer Bigbands zusammen, mit denen er auch auf Tourneen ging. In seinen letzten Lebensjahren trat er mehrfach mit dem für ihn gegründeten United Nation Orchestra auf, in dem nicht nur frühere Weggefährten, sondern auch Schüler von ihm mitwirkten.

Gillespie kandidierte 1964 für das Amt des amerikanischen Präsidenten; trotz des eingängigen Slogans „Ich kandidiere als Präsident, weil wir einen brauchen“ war er dabei aber nicht erfolgreich.[2] Er hat eine nichteheliche Tochter mit der Songschreiberin Connie Bryson, Jeanie Bryson, eine US-amerikanische Jazz-Sängerin.[3]

Wirken

Gillespie war in den 1940er und 1950er Jahren auch äußerlich der Inbegriff des smarten, hippen Jazz-Intellektuellen (Hipster). In dieser Zeit zählte er auch zu den ersten amerikanischen Jazzmusikern, die lateinamerikanische, afrokubanische und afrikanische Elemente in ihre Kompositionen und Improvisationen einfließen ließen. In rascher Abfolge spielte er mit Chano Pozo, Lalo Schifrin, Jose Mangual, Mongo Santamaría und anderen Spezialisten der afrokubanischen und lateinamerikanischen Klänge. In späteren Jahren war er Freund und Förderer jüngerer kubanischer Talente wie Arturo Sandoval und Gonzalo Rubalcaba. Gillespies Eintreten gegen Rassismus führte ihn zum Glauben der Bahai, deren Ideale[4] ihn anzogen und deren Religion er um 1970 annahm, was seinen Lebensstil und sein Auftreten in der Öffentlichkeit veränderte. Der „Clown des Bebop“ wurde ein ernsthafter Musiker, der sich auch für politische Ziele einsetzte, ohne jedoch parteipolitisch aktiv zu werden. 1988 gründete er das United Nation Orchestra, mit dem er Ägypten, Marokko sowie etwas später Kanada und Südamerika bereiste.

Seine Rolle als Integrationsfigur des Jazz begann jedoch schon in den 1950er Jahren, als er nach Erfolgen auch in Europa (z. B. Pleyel Konzerte 1948 in Paris) und Auftritten bei Jazz at the Philharmonic 1955 vom State Department die Gelegenheit bekam eine Bigband zu bilden, mit der er bis 1958 auf Welttour ging (sein Auftritt 1956 in Athen half die wegen des Zypernkonflikts aufgestauten antiamerikanischen Spannungen abzubauen und zahlte sich somit auch für seine Geldgeber aus). Nachdem er in den 1960er Jahren, in denen er auch mit Thirdstream-Komponisten wie Lalo Schifrin und Gunther Schuller zusammenarbeitete, meist in kleineren Combos spielte, ging er Anfang der 1970er Jahre mit den Jazz Giants (Sonny Stitt, Thelonious Monk, Art Blakey und anderen) auf Tournee nach Europa und Australien und unternahm 1973 eine große Afrikatour.

Dizzy Gillespie ist eine der populärsten Figuren des Jazz, und Musiker wie Miles Davis, Thad Jones und Kenny Dorham nannten ihn als wichtigen Einfluss. Woody Herman nannte ihn einen „Giganten des Jazz“. Viele seiner Stücke wie A Night in Tunisia, Groovin' High und Woody ’n You zählen heute zu den Jazzstandards. Optisch gilt als sein Markenzeichen die Trompete mit nach oben gebogenem Schalltrichter (vgl. Foto) und seine charakteristisch prall aufgeblasenen Wangen, ein Phänomen, für das die Medizin sogar einen Fachbegriff geschaffen hat: „Gillespie pouch“.

Der Musiker Gillespie wird heute in mehrfach Hinsicht gewürdigt: „als Klangvisionär“, der auf der Trompete zudem „eine gänzlich individuelle Virtuosität entwickelte, als Komponist, Arrangeur und Bandleader, als Sänger mit unvergleichlichen Bebop-Vocals und als Inszenator einer hochexplosiven Mixtur aus Jazz und afrokubanischer Musik.“[5]

Im Verlag Doubleday erschien 1979 seine zusammen mit Al Fraser verfasste Autobiografie mit dem Titel To Be or not to Bop. John Holland drehte 1985 einen Film von einem Gastspiel von Gillespie in Havanna („Dizzy Gillespie – a Night in Havanna“ 1988).

Sein letztes öffentliches Konzert gab er im Februar 1992 in Seattle.

Diskografie (Auswahl)

  • Gillespie u. a.: The Complete RCA Victor Recordings Studioaufnahmen 1937–1949
  • Gillespie u. a.: Live Sessions at Minton’s, Everest
  • Gillespie: Groovin’ High (Savoy Records) mit Charlie Parker, Dexter Gordon, Milt Jackson, Ray Brown, Kenny Clarke (Aufnahmen 1945/46)
  • Dizzy Gillespie and his Sextets & Orchestra: Shaw ‘Nuff. Studioaufnahmen aus den Jahren 1945/46
  • Gillespie: Cubana Be, Cubana Bop, Dreyfuß Jazz Reference (Big Band Aufnahmen 1946–1949, mit Chano Pozo)
  • Gillespie: Night in Tunisia, Dreyfuß Jazz Reference (Combo Aufnahmen 1945–1947, mit Parker, Byas, Stitt, Dexter Gordon, Milt Jackson)
  • Gillespie: Pleyel Jazz Concert 1948 (Paris 1948)
  • Gillespie: Pleyel Jazz Concert 1953 (mit Sarah Vaughan)
  • Dizzy Gillespie: Dee Gee Days – The Savoy Sessions 1951, 1952
  • Dizzy Gillespie, Charles Mingus, Charlie Parker, Max Roach, Bud Powell: Jazz at Massey Hall, Toronto (Kanada), 15. Mai 1953
  • Gillespie: Swing low sweet Cadillac 1967 (mit James Moody)
  • Gillespie, Robbie Ameen, Branford Marsalis, Kenny Kirkland, Lonnie Plaxico: New Faces, 1984, 1985
  • Dizzy Gillespie and the United Nation Orchestra: Live at the Royal Festival Hall, London, 10. Juni 1989

Sammlung

Kompositionen (Auszug)

  • Manteca
  • A Night in Tunisia
  • Birk’s Works
  • Con Alma
  • Groovin’ High
  • Salt Peanuts
  • Voyage to Next – Filmmusik

Literatur

  • Gillespie, Al Frazer: To Be Or Not … To Bop. Memoirs. Hannibal, Wien 1988, ISBN 3-85445-018-4 (deutsche Ausgabe, Original bei Doubleday, Garden City / New York 1979, Da Capo 1985)
  • Studs Terkel: Giganten des Jazz. Zweitausendeins, Frankfurt 2005 ISBN 3-86150-723-4
  • Jürgen Wölfer: Dizzy Gillespie. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten. Oreos, Schaftlach 1987, ISBN 3-923657-16-1
  • Alyn Shipton: Groovin High – the life of Dizzy Gillespie. Oxford University Press, 2001, ISBN 0-19-514410-4
  • Raymond Horricks: Dizzy Gillespie and the Bebop Revolution. Hippocrene Books, 1984
  • Arrigo Polillo: Jazz. Piper 1994

Weblinks

 Commons: Dizzy Gillespie – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  • Literatur von und über Dizzy Gillespie im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Webseite der Dizzy Gillespie All-Stars (englisch)
  • Kurzbiografie
  • Dizzy: The Life and Times of John Birks Gillespie. (Memento vom 22. Februar 2005 im Internet Archive) Biografie und Buchvorstellung
  • Diskografie. Jazz Discography Project
  • Interview mit Les Tomkins von 1973 (englisch)
  • Dizzy Gillespie bei Discogs (englisch)

Einzelnachweise

  1. Er soll hinter Calloways Rücken ins Publikum gewinkt haben und warf nach Berendt („Jazzbuch“) sogar Papierkügelchen auf ihn. Als Calloway ihn in der Garderobe zur Rede gestellt hatte soll es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen sein.
  2. Joelle Ulrich: Diz for President! ARD-Radiofestival 2012
  3. Alyn Shipton: Groovin’ High. Google-Book
  4. Christopher Buck: The Interracial “Baha’i Movement” and the Black Intelligentsia: The Case of W. E. B. Du Bois. In: Journal of Religious History, Vol. 36, No. 4, December 2012:542–562
  5. Hans-Jürgen Schaal Erneuerer und Entertainer Jazzzeitung 10/2002
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 12.12.2017 10:13:50

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