Hermann Meier

geboren 1906 in Selzach, SO, Schweiz

gestorben 2002 in Zullwil, SO, Schweiz

Hermann Meier (Komponist)

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Hermann Meier (* 29. Mai 1906 in Selzach (Solothurn); 19. August 2002 in Zullwil) war ein Schweizer Komponist.

Leben

Hermann Meier erhielt zwar Klavier und Orgelunterricht, und bildete sich an der Musikakademie Basel in den theoretischen Fächern weiter. Eine Musikerlaufbahn schlug er dennoch nicht ein. Stattdessen wurde er Lehrer. 47 Jahre lang war er in Zullwil (Solothurn) als Dorfschullehrer tätig. Neben seiner Berufstätigkeit, Meier hatte eine siebenköpfige Familie zu ernähren, widmete er sich zeitlebens der Komposition und trat im Schwarzbubenland musikalisch als Dirigent von Dorfchören in Erscheinung. Regelmäßig besuchte er das nahe Basel und kam dort mit den Werken Arnold Schönbergs, Anton Weberns und anderen in Kontakt. Er nahm Kompositionsunterricht bei Wladimir Vogel und René Leibowitz.

1948 fand auf Veranlassung Wladimir Vogels in Orselina ein Vorbereitungstreffen zu einem «Dodekaphonischen Kongress» statt, bei dem Meier unter anderem auf Luigi Dallapiccola, Gian Francesco Malipiero, Karl Amadeus Hartmann, Rolf Liebermann und Erich Schmid traf.

Trotz intensiver Bemühungen konnte Meier nach heutigem Forschungsstand bis ins Alter von 70 Jahren nur drei Aufführungen seiner Werke erleben, allesamt bei den Hausmusikabenden für Zeitgenössische Musik des Berner Ehepaares Hermann und Irène Gattiker. Eine Erklärung liefert die Neuartigkeit seines Werkes, so erkundete er früh Kompositionstechniken und nahm ästhetische Positionen ein, wie kaum jemand sonst in der Schweiz. Vermutlich noch vor Jacques Wildberger und damit als erster Schweizer Komponist erkundete er serielle und punktuelle Techniken, arbeitete zeitgleich wie Iannis Xenakis oder György Ligeti an Klangflächen und schrieb Mitte der 1950er Jahre sehr reduzierte Partituren voller Pausen. Seit Mitte der 50er Jahre arbeitete Meier mit grafischen Plänen, die er in Anlehnung an den von ihm verehrten Maler Piet Mondrian Mondriane nannte.

1975 konnte Meier am renommierten Experimentalstudio der Heinrich Strobel-Stiftung die Komposition Klangschichten realisieren. Für diese Komposition erhielt er 1976 einen Werkpreis des Kantons Solothurn, die einzige offizielle Ehrung zu Lebzeiten.

Der Komponist Urs Peter Schneider wurde zum ersten Interpreten, der sich mit Vehemenz für Meier einsetzte. Mitte der 1980er Jahre brachte das Ensemble Neue Horizonte Bern unter Leitung Schneiders verschiedene Stücke Meiers zur Uraufführung. Dominik Blum, ein Schüler Schneiders, veröffentlichte 2001 in der Edition Wandelweiser die erste CD mit Werken von Hermann Meier. Hermann Meier starb 2002 in Zullwil. Erst postum mehren sich die Anzeichen für eine Wiederentdeckung Meiers. 2009 wurde sein Nachlass in die Paul Sacher Stiftung aufgenommen, der aart-verlag Zürich startete mit einer Gesamtausgabe seiner Werke und 2010 brachte die Basel Sinfonietta auf Initiative des Komponisten Marc Kilchenmann erstmals zwei seiner 28 Orchesterwerke zur Uraufführung. Zudem erschienen in der Fachzeitschrift dissonanz-dissonance und der Schweizer Musikzeitung Beiträge zu Hermann Meier.

Rezeption

Zu Lebzeiten kaum gespielt, beginnt in den letzten Jahren eine Wiederentdeckung des Komponisten. So groß, teilweise entrüstet die Ablehnung in den 1940er Jahren, so zustimmend sind nun die aktuellen Kritiken:

Er dürfte die Dreißig um einiges überschritten haben, und doch kennt ihn niemand, ist er für niemand ein <Begriff>. Aber so wie sein Kopf den Künstler (oder allenfalls Denker) nicht zu verleugnen vermöchte, so seine Komposition nicht den Musiker. Obwohl sie manch Ungegorenes enthält, obwohl sie ein wenig linkisch geschrieben und etwas abrupt geformt ist. Von den vier Aufgeführten ist Meier der kühnste, rücksichtsloseste und doch auch wieder poetischste. Er mutet sich und den Hörern und nicht zuletzt den Musikern am meisten zu. Wenn die sonst so disziplinierten Mitglieder des Tonhalleorchesters am Schluss in ein Gelächter ausbrachen, und einer gar pfiff, so haben sie dafür den einzigen Tadel an diesem aufregenden Arbeitshalbtag verdient. Gerade sie hätten aus Beispielen aus der Vergangenheit wissen sollen, dass Werken von ihren zeitgenössischen Vermittlern gleiches geschah, die sie, die Interpreten von heute, als Meisterwerke mit höchster Hingabe vortragen. [1]
Die Veranstaltung, die den Beteiligten harte Pflichten auferlegte und sicher auch dem geduldig ausharrenden Dirigenten kein einhelliges Vergnügen bereitete, nahm ein unrühmliches Ende mit der mühseligen Durchpflügung eines chaotischen Symphoniesatzes von Hermann Meier, an dem das Orchester herumhackte, zu seinem eigenen Entsetzen und dem der glücklicherweise nur wenigen Zuhörer. Dass die Tonhallemusiker in unmissverständlicher Weise gegen solche Zumutungen protestierten, war nur allzu begreiflich.[2]
Der Komponist Hermann Meier gehört der Generation von Olivier Messiaen an, ist rund zwanzig Jahre älter als Stockhausen, Goeyvaerts, Boulez oder Barraqué und schrieb in den fünfziger und sechziger Jahren eine Musik, die man heute rückblickend als ebenbürtig neben das Schaffen der vier Letztgenannten stellen muss.[3]
Dodekafonist, Serialist, Avantgardist" diese knappe Charakterisierung Meiers durch den Winterthurer Pianisten Dominik Blum benennt implizit bereits wesentliche Gründe für Meiers lebenslanges Außenseitertum und seine Isolation innerhalb der Schweizer Tonkünstlerszene. Meier (...) fühlte sich zu neuen Kompositionstechniken bereits hingezogen, als dieselben beim Gros der eidgenössischen Komponistengilde noch Gänsehaut zu verursachen pflegten und Proteste provozierten. (...) Ab 1952 erprobte er serielle Techniken im erweiterten Sinn, wie sie gleichzeitig auch im Umfeld der Darmstädter Kurse entwickelt wurden.[4]
Hermann Meier kann kompositorisch nicht als Vertreter seiner eigenen Generation betrachtet werden, eher ist er den etwa zwanzig Jahre Jüngeren (Boulez, Stockhausen) zuzurechnen. Meier ist deshalb der mit Abstand älteste Vertreter der Nachkriegsavantgarde. Sehr früh erkundete er serielle und punktuelle Techniken, schuf bereits in den fünfziger Jahren Clusterkompositionen und wandte sich in den siebziger Jahren der Geräuschkomposition und der elektronischen Musik zu. In der Abgeschiedenheit des Schwarzbubenlandes schuf er während Jahrzehnten ein geradezu erschütternd innovatives Werk, welches hierzulande seinesgleichen sucht. [5]
Sage und schreibe 28 Orchesterwerke entstanden zwischen 1950 und 1970. Sie offenbaren einen objektiven, klar denkenden Komponisten. Sehr auffällig, wie Meier in oft unvermittelten Blöcken denkt und wie er sich distanziert von traditionellen thematischen Entwicklungen. Flächige Passagen, durchaus ausgestattet mit tonalen Elementen und Wiederholungen. Mit anderen Worten: strenge Konstruktion, gepaart mit Freiheit.[6]
Hermann Meier lebte als Primarlehrer im solothurnischen Zullwil und fabrizierte in seiner Freizeit Partituren von einer Radikalität, die staunen macht. Seine Orchesterstücke sind Werke von blockhafter Wucht und motorischer Energie, irgendwo zwischen Varèse und Penderecki und doch anders, als alles andere.[7]
Der Schweizer Komponist Hermann Meier (1906-1992) [sic!] hat unfreiwillig im Verborgenen ein uvre geschaffen, das seinesgleichen sucht. Die Konsequenz, mit der Meier das Stück für großes Orchester 1960 baut, ist für die Zeit um 1960 einzigartig, die Radikalität beeindruckt. ... Eine grandiose Musik.[8]

Werkverzeichnis (ohne Berücksichtigung der grafischen Pläne)

Klavier solo

  • Variationen und Fuge (nicht datiert)
  • Sonatine (nicht datiert)
  • Marcia Intermezzo Scherzo (Abschlussdatum: 15. März 1937)
  • Allegro con fuoco Andante - Molto Vivace (Abschlussdatum: IX 1937)
  • Passacaglia (1942)
  • Adagio Allegro non troppo - Allegro molto (1945)
  • Klavierstück (Oktober 1945)
  • 6 Klavierstücke (1946)
  • Klavierstück (Abschlussdatum: 1. April 1947)
  • Komposition für Klavier (Abschlussdatum: 8. Oktober 1948)
  • Sonate (ca. 1950-52)
  • Klavier-Variationen (1952)
  • 2 Klavierstücke für Lilo Mathys (1956)
  • Klavierstück (Abschlussdatum: 31. März 1957)
  • Klavierstück (Abschlussdatum: 20. April 1957)
  • Kleine Elegie für Frau Gaby Stebler (Abschlussdatum: 6. März 1968)
  • Klavierstück, meinem Freund, dem Pianisten Charles Dobler gewidmet (Abschlussdatum: 5. April 1968)
  • Klavierstück für Urs Peter Schneider (Abschlussdatum: 14. Oktober 1987)

Zwei Klaviere und Klavier vierhändig

  • Stück für 2 Klaviere (Abschlussdatum: 14. November 1958)
  • 13 Stücke für 2 Klaviere (1959)
  • Stück für 2 Klaviere (Abschlussdatum: 4. November 1959)
  • Stück für 1 Klavier 4-händig (Abschlussdatum: 7. Oktober 1960)
  • Stück für 2 Klaviere (Abschlussdatum: 4. September 1963)
  • Stück für 2 Klaviere (Abschlussdatum: 11. Oktober 1963)
  • Stück für 2 Klaviere oder 1 Klavier 4-händig (Abschlussdatum: 4. Januar 1965)
  • Stück für 2 Klaviere oder 1 Klavier 4-händig (Abschlussdatum: 7. Januar 1965)
  • Stück für 2 Klaviere, Frau Helena Stebler gewidmet (Abschlussdatum: 25. Jun 1965)
  • Stück für 2 Klaviere (Abschlussdatum: 2. Januar 1984)

Drei und mehr Tasteninstrumente

  • Stück für 3 Klaviere je vierhändig (Abschlussdatum: 25. April 1967)
  • Stück für Klavier, Cembalo, el. Orgel (Abschlussdatum: 21. Januar 1969)
  • Stück für 2 Klaviere, 2 el.??? Im Autograph steht nur Orgeln Orgeln, 2 Cembali (Abschlussdatum: 15. Juli 1969)
  • 6 Stücke für mehrere Tasteninstrumente (Abschlussdatum: 8. September 1970)
  • Stück für 2 Klaviere (1=4händig), 2 Cembali, 1 elektronische Orgel; Klangflächengefüge oder Wandmusik, Hans Oesch gewidmet (Abschlussdatum: 2. Juli 1971)
  • Stück 2 Klaviere, 2 el. Orgeln, 2 Cembali (Abschlussdatum: 23. Oktober 1972)
  • Stück für 3 Klaviere (Abschlussdatum: 25. August 1984)
  • Elektronische Studie für 3 Klaviere (Ende Dez. 1984)
  • Große Wand ohne Bilder für Klavier, Cembalo, el. Orgel (Abschlussdatum: 18. Februar 1989)

Lieder

  • 7 Lieder (vermutlich 1950)
    • Der Dichter (Hermann Hesse)
    • Ich warte (Margrit Oesch)
    • Die Sünderin (Margrit Oesch)
    • Pilgerweg (Klara Messerli)
    • Es war ja nicht (Armgard Bresges)
    • Nachtwachen 1 (Stefan George)
    • Ein Tag genügt manchmal (Margrit Oesch)
  • Blaue Stunde (Gottfried Benn, vermutlich 1952)

Kammermusik

  • Ohne Titel / Werk für 2 Violinen (nicht datiert)
  • Ohne Titel / Werk für Violine solo (nicht datiert)
  • Ohne Titel / Werk für Streichtrio (nicht datiert)
  • Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello (nicht datiert)
  • 3 Stücke für Violine und Klavier (nicht datiert)
  • Ohne Titel / Werk für Streichquartett (Abschlussdatum: 9. Januar 1946)
  • Trio für Flöte, Klarinette und Fagott (1946)
  • Streich-Quartett (Abschlussdatum: 20. Juni 1947)
  • Ohne Titel / Werk für Violine solo (Abschlussdatum: 25. September 1947)
  • Trio für Flöte, Oboe, Klarinette (Mai 1948)
  • Stück für 4 Posaunen (Abschlussdatum: 15. September 1952)
  • Stück für 2 Klaviere vierhändig und Schlagzeug (Abschlussdatum: 3. Juni 1963)
  • Quintett für Piccolo, Oboe, Horn, Bassklarinette und Kontrafagott (Abschlussdatum: 30. September 1989)

Orchesterwerke

  • Sinfonie (Abschlussdatum: 28. März 1948)
  • Sinfonie (Abschlussdatum: 3. Juli 1949)
  • 1. Partitur (1951/52)
  • 2. Partitur (nicht datiert)
  • Ohne Titel / Werk für Orchester (Abschlussdatum: 22. Februar 1953)
  • Orchestermusik (Abschlussdatum: Weihnachten 1953)
  • Orchesterstück (Abschlussdatum: 8. August 1954)
  • Orchesterstück Nr. 4 (Abschlussdatum: 11. Oktober 1955)
  • Orchesterstück Nr. 5 (Abschlussdatum: 4. Dezember 1955)
  • 6. Orchesterstück (Abschlussdatum: 28. Februar 1957)
  • Orchesterstück Nr. 8 (Abschlussdatum: 5. August 1957)
  • Orchesterstück Nr. 9 (Abschlussdatum: 12. Februar 1958)
  • Orchesterstück Nr. 10 (Abschlussdatum: 8. Juni 1958)
  • Stück für Orchester (Abschlussdatum: 17. Januar 1960)
  • Stück für großes Orchester (Abschlussdatum: 27. Juni 1960)
  • Stück für großes Orchester (Abschlussdatum: 29. September 1960)
  • Stück für großes Orchester, Klavier und Schlagzeug (Abschlussdatum: 9. Januar 1961)
  • Stück für großes Orchester (Abschlussdatum: 28. April 1961)
  • Stück für großes Orchester mit zwei Klavieren (Abschlussdatum: 26. November 1961)
  • Stück für großes Orchester und Klavier 4hd. (Abschlussdatum: 6. Oktober 1962)
  • Stück für großes Orchester (Abschlussdatum: 20. März 1963)
  • Stück für großes Orchester und 3 Klaviere (Abschlussdatum: 22. September 1964)
  • Stück für großes Orchester und Klavier (Abschlussdatum: 16. Mai 1965)
  • Stück für Streicher, Bläser, Klaviere, Oscar Niemeyer gewidmet (Abschlussdatum: 12. Januar 1967)
  • Requiem für Orchester und 2 Klaviere (Abschlussdatum: 7. März 1967)
  • Stück für Streichorchester, 2 Hammondorgeln à 4 Hände, 2 Klaviere à 4 Hände (Abschlussdatum: 27. Januar 1968)
  • Stück für Orchester, Werner Heisenberg gewidmet (Abschlussdatum: 1. September 1968)

Elektronik

  • Klangschichten für Zweikanaltonband (1976), realisiert im Experimentalstudio des SWF

Aufnahmen

  • Kammermusik und Orchesterwerke 1960-69, darin: Stück für grosses Orchester; Stück für Orchester mit zwei Klavieren; Stück für Klavier, elektrische Orgel und Cembalo; Stück für Klavier vierhändig. Ensemble Neue Horizonte Bern, Basel Sinfonietta, Leitung: Jürg Henneberger, MGB 2010

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nicht genannter Autor in Basler Nachrichten vom 20. April 1949.
  2. Nicht genannter Autor in der Nationalzeitung vom 27. April 1949.
  3. Alfred Zimmerlin in der NZZ vom 27. Mai 2000.
  4. Doris Lanz: "Neue Musik in alten Mauern, Die Gattiker-Hausabende für zeitgenössische Musik Eine Berner Konzertgeschichte 1940-1967" ; Verlag Peter Lang
  5. Marc Kilchenmann: Verschiedenes zu Hermann Meier; Dissonanz Nr 108, Dezember 2009
  6. Torsten Möller: Der Aussenseiter als radikaler Querdenker; Schweizer Musikzeitung, Januar 2010
  7. Siegfried Schibli in der Basler Zeitung vom 26. Januar 2010
  8. Alfred Zimmerlin in der NZZ, 26. Januar 2010
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