Alfred Schnittke

geboren am 24.11.1934 in Engels, Russische Föderation

gestorben am 3.8.1998 in Hamburg, Deutschland

Alfred Schnittke

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Alfred Schnittke (russisch  /Alfred Garrijewitsch Schnitke; * 24. November 1934 in Engels, Sowjetunion; 3. August 1998 in Hamburg) war ein russlanddeutscher Komponist und Pianist.

Leben

Schnittke wurde als Sohn des aus Frankfurt am Main stammenden Journalisten Harry Schnittke und einer Deutschlehrerin in der einstigen Hauptstadt der Wolgadeutschen Republik, Engels, geboren. Er ist der Bruder des Schriftstellers Viktor Schnittke. 1946 begann Alfred Schnittke in Wien seine musikalische Ausbildung und setzte sie 1953-1958 am Moskauer Konservatorium bei Jewgeni Golubew und Nikolai Rakow fort. Am dortigen Konservatorium übernahm er 1961 bis 1972 eine Lehrtätigkeit. Ab 1973 widmete sich Schnittke nur noch der Komposition.

Nach anfänglichen Versuchen mit Kompositionstechniken wie Aleatorik und Serialismus wandte sich Schnittke einer polystilistischen Kompositionsweise zu, die sich auf Charles Ives, Luciano Berio und Bernd Alois Zimmermann beruft. Erste Aufmerksamkeit im Westen erzielten seine Werke bei den Tagen für Neue Musik in Donaueschingen 1966. 1985 erlitt Schnittke einen Schlaganfall, infolgedessen er kurzzeitig klinisch tot war; dieser setzte in ihm nochmals ungeheure Schaffenskräfte frei gut die Hälfte seiner wichtigsten Werke entstand in den 13 ihm noch verbleibenden Jahren, in denen ihn noch drei weitere Schlaganfälle in den Jahren 1991 und 1994 immer wieder an der Arbeit hinderten.[1] Auch nach seinem vierten Schlaganfall konnte er noch eine 9. Symphonie schreiben, ehe er dann im Jahre 1998 im Alter von 63 Jahren starb.[1]

1990 siedelte Schnittke, nachdem er über 40 Jahre in Russland gelebt und gearbeitet hatte, mit seiner Familie nach Hamburg über, wo er an der Musikhochschule eine Professur für Komposition übernahm.

Alfred Schnittke wurde auf dem Moskauer Nowodewitschi-Friedhof begraben.

Auszeichnungen

1986 erhielt Schnittke den Staatspreis der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik genannt Krupskaya-Preis. 1989 wurde er mit dem Filmpreis Nika geehrt und 1992 wurde Schnittke mit dem Praemium Imperiale und dem Bach-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg ausgezeichnet.

1995 wurde Schnittke Preisträger des Staatspreises der Russischen Föderation. Im selben Jahr erhielt er das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst.

Der Asteroid (30836) Schnittke wurde 2002 nach ihm benannt.

Erste Werke

Auf der Suche nach seiner kompositorischen Identität schrieb Schnittke anfänglich viel szenische Musik und Filmmusik. Die 2. Violinsonate von 1968 markiert den Beginn dieses neuen Kompositionsstiles, gleichzeitig begab sich Schnittke aber auch kompositorisch auf eine mit jedem Werk neu entstehende Reise nach Klängen und Konzepten. Gleich seine 1. Sinfonie (197274) betitelte er selbst als Un-Sinfonie; sie ist ein auskomponiertes Fragezeichen in gigantischen Ausmaßen und behandelt die Suche nach einer zeitgemäßen sinfonischen Form des 20. Jahrhunderts. Gestische und theatralische Elemente, ein weiteres wichtiges Merkmal Schnittkes Musik, sind hier ebenso einbezogen wie traditionelle Formen und Stile, selbst Jazz wird als Möglichkeit inszeniert, es ist eine sinfonische Apokalypse. John Neumeier verwendete diese Musik zu seinem Ballett Endstation Sehnsucht nach Tennessee Williams.

Filmmusik

Seit 2001 wird Alfred Schnittke auch zunehmend als Komponist von Filmmusiken wahrgenommen. Dies ist in erheblichem Maß das Verdienst des Dirigenten des Rundfunk-Sinfonie Orchesters Berlin, Frank Strobel. Strobel hat seit dieser Zeit die Filmmusik zu u. a. Agonia, Die Kommissarin, Clowns und Kinder, Rikki-Tikki-Tavi und Sport, Sport, Sport aufgenommen. Dies war durchaus im Sinne von Alfred Schnittke, der seine Filmmusiken als gleichwertig neben den ernsten Kompositionen sah. 2005 und 2006 wurde dies gewürdigt mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik.

Werke

Opern

  • Leben mit einem Idioten (Libretto von Wiktor Jerofejew)
  • Gesualdo (Libretto von Richard Bletschacher)
  • Historia von D. Johann Fausten

Ballette

  • Labyrinthe (1971)
  • Peer Gynt (198688)

Filmmusiken (Auswahl)

  • Die Abenteuer eines Zahnarztes (1965, Regie: Elem Klimow)
  • Die Kommissarin (1967, uraufgeführt 1987, Regie: Alexander Askoldow)
  • Sport, Sport, Sport (1970, Regie: Elem Klimow)
  • Onkel Wanja (1970, Regie: Andrei Michalkow-Kontschalowski)
  • Erlebtes und Gedachtes (17-teilige Fernsehserie nach Alexander Herzens Autobiographie, 1973, Regie: Lew Jelagin)
  • Agonia (1974, uraufgeführt 1981, Regie: Elem Klimow)
  • Clowns und Kinder (1976, Regie: Alexander Mitta)
  • Die Geschichte eines unbekannten Schauspieler (1976, Regie: Alexander Sarchi)
  • Aufstieg (1977, Regie: Larissa Schepitko)
  • Die letzten Tage von St. Petersburg (Stummfilm 1927, Regie: Wsewolod Pudowkin, Filmmusiksuite 1992)
  • Der Meister und Margarita (1993, Regie: Juri Kara)

Chormusik

  • Oratorium Nagasaki (1958)
  • Kantate Lieder von Krieg und Frieden (1959)
  • Requiem (Bühnenmusik zu Schillers Drama Don Karlos) (1974/75)
  • Faustkantate Seid nüchtern und wachet (1982/83)[2]
  • Drei geistliche Gesänge (1984)
  • Konzert für Chor (1984/1985), großer gemischter Chor, Text: Gebetbuch des Gregor von Narek, viersätzig
  • 12 Bußpsalmen (1988)

Sinfonische Musik

  • Sinfonie (Nr. 0, 195657)
  • Pianissimo für großes Orchester (1968)
  • 1. Sinfonie (197274), viersätzig
  • In Memoriam (197778), Orchesterfassung des Streichquintetts (197276)
  • 2. Sinfonie (1979/80), St. Florian, sechs Sätze
  • Passacaglia für Orchester (197980)
  • Gogol-Suite (1980)
  • 3. Sinfonie (1981), viersätzig
  • 4. Sinfonie (1984), für Countertenor, Tenor, Kammerchor und Kammerorchester (Text: Ave Maria), einsätzig
  • Ritual für Orchester (198485)
  • (K)ein Sommernachtstraum für Orchester (1985)
  • Triosonate für Streicher (1987), Orchesterfassung des Streichtrios (1985), arrangiert von Juri Bashmet
  • Suite im alten Stil für Kammerorchester (1987)
  • Vier Aphorismen für Orchester (1988)
  • 5. Sinfonie (1988) = 4. Concerto Grosso, viersätzig
  • Sutartines für Schlagwerk, Orgel und Streicher (1991)
  • 6. Sinfonie (1992), viersätzig
  • Hommage à Grieg (1993)
  • 7. Sinfonie (1993), dreisätzig
  • Sinfonisches Vorspiel für Orchester (1994)
  • 8. Sinfonie (1994), fünfsätzig
  • For Liverpool für Orchester (1994)
  • 9. Sinfonie (199697), dreisätzig, Rekonstruktion von Alexander Raskatow, UA 16. Juni 2007 in Dresden

Konzertante Musik

  • 4 Violinkonzerte
  • 2 Violakonzerte (1985 & 1996/97)
  • 2 Cellokonzerte
  • Konzert für Oboe, Harfe und Streicher
  • 6 Concerti Grossi
  • (Concerto grosso No.1 für Flöte, Oboe,Cembalo, Präpariertes Klavier und Streicher)
  • (4. = 5. Sinfonie)
  • Klavierkonzerte:
  • Poème für Klavier und Orchester (1953, verschollen)
  • Konzert für Klavier und Orchester (1960)
  • Musik für Klavier und Kammerorchester (1964)
  • Konzert für Klavier und Streicher (1979)
  • Konzert für Klavier vierhändig und Kammerorchester (1988)

Kammermusik

  • 3 Klaviersonaten
  • 3 Violinsonaten
  • 3 Violoncellosonaten
  • A Paganini Für Solo-Violine (1983)
  • Streichtrio (1985)
  • Klaviertrio (1992, Arrangement des Streichtrios)
  • Klavierquintett
  • Suite im alten Stil
  • 4 Streichquartette
  • Schall und Hall für Posaune und Orgel

Schüler (Auswahl)

  • Boris Guckelsberger

Siehe auch

  • Neue Einfachheit
  • Alfred-Schnittke-Akademie

Literatur

  • Arkadi Junold: Faust in der Oper. Arkadien-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-940863-00-3.
  • Christian Storch: Der Komponist als Autor. Alfred Schnittkes Klavierkonzerte. (= Schriftenreihe der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar 8). Böhlau, Köln/ Wien/ Weimar 2011, ISBN 978-3-412-20762-5.
  • Amrei Flechsig, Christian Storch (Hrsg.): Alfred Schnittke : Analyse, Interpretation, Rezeption. (= Schnittke-Studien 1). Olms, Hildesheim/ Zürich/ New York 2010, ISBN 978-3-487-14464-1.
  • Amrei Flechsig: Requiem auf die Sowjetunion: Alfred Schnittkes Leben mit einem Idioten. In: Osteuropa. 59 (2009), Heft 4, ISSN 0030-6428, S. 109118.
  • Melanie Turgeon: Composing the sacred in Soviet and Post-Soviet Russia. History and Christianity in Alfred Schnittke's. Concerto for Choir. VDM, Saarbrücken 2009, ISBN 978-3-639-03333-5.
  • Peter J. Schmelz: Such freedom, if only musical. The beginning of unofficial Soviet music during the thaw. Oxford University Press, Oxford 2009, ISBN 978-0-19-534193-5.
  • Christian Storch: Tanz an die verstorbene Mutter? Der B-A-C-H-Walzer in Alfred Schnittkes Klavierquintett. In: Lart macabre. (= Yearbook of the Europäische Totentanzvereinigung 9). ed. Uli Wunderlich, Düsseldorf 2008, S. 201212.
  • Victoria Adamenko: Neo-Mythologism in Music: From Scriabin and Schoenberg to Schnittke and Crumb. (= Interplay 5). Pendragon Press, Hilldale 2007, ISBN 978-1-57647-125-8.
  • Maria Kostakeva: Im Strom der Zeiten und der Welten. Das Spätwerk von Alfred Schnittke. Pfau, Saarbrücken 2005, ISBN 3-89727-279-2.
  • 23: 328. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Bd. 330, S. Schnittke, Alfred
  • Alla Bogdanova, Elene Dolinskaja: Al'fredu Schnittke posvjaschtschajetsja. (=Alfred Schnittke gewidmet). 3 Bde., Moskau 2003-2006. (russisch)
  • Paolo Cecchinelli: Alfred Schnittke. A Paganini. In: Quaderni dellIstituto di Studi Paganiniani. 14, (2002), S. 5871.
  • Alexander Ivashkin: A Schnittke Reader. Indiana University Press,, Bloomington, Ind. u. a. 2002, ISBN 0-253-33818-2.
  • Alla Bogdanova (Hrsg.): Al'fredu Schnittke posvjaschtschajetsja. (=Alfred Schnittke gewidmet), 2 Bde., Moskau 1999 und 2001. (russisch)
  • Alfred Schnittke: Über das Leben und die Musik. Gespräche mit Alexander Iwaschkin. Econ, München/ Düsseldorf 1998, ISBN 3-430-18033-3.
  • Alexander Ivashkin: Alfred Schnittke. Phaidon, London 1996. (englisch)
  • Jürgen Köchel (Hrsg.): Alfred Schnittke zum 60. Geburtstag. Eine Festschrift. Sikorski, Hamburg 1994, ISBN 3-920880-53-6.

Diskografie

  • Die Sinfonien 09 und weitere Kompositionen sind beim schwedischen Label BIS erschienen, die 9. Sinfonie auch bei ECM. Einige der Filmmusiken wurden durch Frank Strobel aufgenommen und sind bei CPO bzw. Capriccio erschienen. Viele der Sinfonien und Konzerte wurden von den russischen Dirigenten Gennadi Roschdestwenski und Waleri Polianski eingespielt und sind u. a. bei Chandos erschienen.

Weblinks

Nachweise

  1. 1,0 1,1 ensembleKONTRASTE (Hrsg.): Programmheft. (Zugriff am 2012-04-10)
  2. Faust in der Musik. In: Sikorski. Nr. 2, Internationale Musikverlage, Hamburg 2012, S. 5 (http://media.sikorski.de/media/files/1/13/27/6117/magazin_02_2012.web.pdf;+Stand:+2012-04-10).
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