Jacob Obrecht
geboren am 22.11.1450 in Gent, Flandern, Belgien
gestorben 1505 in Ferrara, Emilia-Romagna, Italien
Jacob Obrecht
Jacob Obrecht (* 1457/58 in Gent; Juli 1505 in Ferrara) war ein flämischer Komponist und Sänger sowie Kleriker der Renaissance.
Leben
Obrecht war das einzige Kind des Genter Stadttrompeters Willem Obrecht (1430/35 - ca. 22 November 1488) und der Lysbette Gheeraerts (1438/42 - kurz vor dem 30. Juni 1460). Wahrscheinlich erhielt Obrecht eine Ausbildung zum Chorknaben. Etwa ab 1472/3 hat er an unbekanntem Ort Theologie studiert und sein Studium vor 1479 abgeschlossen. Nach einer Tradition des 16. Jahrhunderts sind sich Obrecht und Erasmus von Rotterdam vor 1480 in Utrecht begegnet.
Von 1479/80 bis 1483/4 wirkte Obrecht an Saint-Gertrautis in Bergen op Zoom. Kurz vor seiner Anstellung war er zum Priester geweiht worden und hatte seine erste Messe gelesen.
Am 28. Juli 1484 bestallte ihn das Kapitel der Kathedrale von Cambrai zum Singschullehrer. Er übernahm sein Amt in Cambrai am 6. September 1484. Er lehrte Chorknaben Liturgie, Choralgesang, gutes Betragen und Latein und hatte überdies Verpflegung, Bekleidung und Freizeitgestaltung der Kinder zu überwachen. Bald schon begann er jedoch seine Aufgaben zu vernachlässigen und versuchte schließlich, seine Demission zu erzwingen. Am 21. Oktober 1485 beschloss das Kapitel daher seine Entlassung.
Obrecht ging nach Brügge, wo er am 13. Oktober 1485 zum 'zangmeester' an Saint-Donatien berufen worden war. Er übernahm das Amt im November 1485. Seine Aufgaben waren fast identisch mit denen in Cambrai. Höhepunkt der Brüggener Zeit war Obrechts Reise an den Hof des musikbegeisterten Ferraneser Herzogs Ercole I. dEste (November 1487 - Mai 1488). Diese Reise hatte Jean Cordier, der berühmte Sänger und Freund Obrechts, im Auftrag des Herzogs vermittelt. Ercole versuchte Obrecht in Italien zu halten, hatte aber keinen Erfolg. Obrecht reiste kriegsbedingt nicht auf direktem Weg nach Brügge zurück, sondern nach Bergen op Zoom, wo er sich einige Monate lang aufhielt. Am 22. Januar 1491 legte er sein Amt in Brügge nieder.
Obrecht fand Anstellung in Antwerpen an Notre-Dame, wo er, Jacob Barbireau nachfolgend, Chormeister wurde. Wahrscheinlich 1492 reiste er nach Frankreich. 1494/5 versuchte er, sich dem Papst anzuempfehlen, für den er die Motette Inter praeclarissimas virtutes komponierte.
Von Sommer 1497 bis Ende 1498 hielt sich Obrecht krankheitsbedingt in Bergen op Zoom auf. Seit 1499 wirkte er wieder an Saint-Donatian in Brügge, wo er im Sommer 1500 schwer erkrankte. Noch vor dem 24. Juni 1501 hat er, zwischenzeitlich gesundet, Brügge für immer verlassen.
Er ging nach Antwerpen, wo er vom 24. Juni 1501 bis mindestens zum 24. Juni 1503 an Notre-Dame Vikar-Sänger war.
Im Frühjahr 1503 versuchte er, Maximilian I. auf sich aufmerksam zu machen. Für diesen komponierte er wahrscheinlich die Missa Sub tuum praesidium und erhielt ein Geschenk. Sicherlich gehört auch die Missa Maria zart in diesen Kontext.
1503/4 gehörte Obrecht möglicherweise der Päpstlichen Kapelle an, zumindest erwog er, in diese einzutreten. Da die Gehaltslisten der Päpstlichen Kapelle für diese Zeit verschollen sind, ist ein dokumentarischer Beweis nicht möglich.
Ab Oktober 1504 ist Obrecht wieder am Hof Ercoles in Ferrara zu finden, diesmal als offizieller Kapellmeister; sein unmittelbarer Vorgänger war Josquin Desprez gewesen. Am 25. Januar 1505 starb Ercole, dessen Sohn, Alfonso I. dEste, Obrecht sogleich entließ. Ein Versuch Obrechts, in Mantua sein Glück zu versuchen, scheiterte. Nach kurzer Zeit kehrte er nach Ferrara zurück und fand sein Auskommen als Priester, vielleicht in der Deutschen oder Holländischen Gemeinde. Im Juli 1505 starb er im Pesthospital Ferraras.
Werk
Obrechts Werk umfasst Messen, Motetten und weltliche Stücke. Im Einzelnen sind folgende Werke überliefert:
Messen
- Missa Adieu mes amours
- Missa Ave regina celorum
- Missa Beata viscera
- Missa Caput
- Missa Cela sans plus
- Missa De Sancto Donatiano
- Missa De Sancto Martino
- Missa De tous biens playne
- Missa Fors seulement
- Missa Fortuna desperata
- Missa Grecorum
- Missa Je ne demande
- Missa Lhomme armé
- Missa Libenter gloriabor
- Missa Malheur me bat
- Missa Maria zart
- Missa O lumen ecclesie
- Missa Petrus Apostolus
- Missa Pfauenschwanz
- Missa plurimorum carminum (I)
- Missa plurimorum carminum (II)
- Missa Rose playsante
- Missa Salve diva parens
- Missa Scaramella (frag)
- Missa Sicut spina rosam
- Missa Si dedero
- Missa Sub tuum praesidium
- Missa Veci la danse barbari
Obrecht zugeschriebene Messen
- Missa Gracuuly et biaulx
- Missa De Sancto Johanne Baptista
- Missa Je ne seray plus
- Missa Naray-je jamais
- Missa Sine nomine
- Missa Beata progenies
Motetten
- Alma Redemptoris mater
- Ave Maris stella
- Ave Regina coelorum
- Beate es, Maria
- Benedicamus in laude Jhesu
- Cuius sacrata viscera (I)
- Cuius sacrata viscera (II)
- Factor orbis / Veni, Domine
- Haec deum caeli
- Inter praeclarissimas virtutes
- Laudemus nunc dominum
- Laudes Christo redemptori
- Mater Patris, nati nata
- Mille quigentis / Requiem
- O Beate basili / O beate pater
- Omnis spiritus laudet
- O preciosissime sanguis
- Parce domine
- Quis numerare queat
- Regina celi
- Salve crux, arbor vite / O crux lignum
- Salve Regina (I)
- Salve Regina (II)
- Salve Regina (III)
- Salve sancta facies / Homo quidam
- Si bona suscepimus
- Si sumpsero
Motetten zweifelhafter Echtheit
- Discubuit Jesus
- Judaea et jerusalem
- Magnificat
- Nec mihi nec tibi
Weltliche Werke
- Als al de weerelt
- Den haghel ende die calde snee
- Fors seulement
- Hebbe gheen ghelt
- Helas mon bien
- Ic draghe de mutse clutse
- Ic hoerde de clocskins luden
- Ic ret my uit spacieren
- Ic weinsche alle scoene vrouwen
- Jay pris amours
- Lacen adieu
- Laet u genoughen
- La Tortorella
- Ma menche vel ma buche
- Marion la doulce
- Meskin es hu (adiu, adiu)
- Moet mij laten u vriendlelic schijn
- Rompeltier
- Se bien fait
- Sullen wij langhe in drucke
- TAndernacken (siehe TAndernaken)
- Tant que nostre argent dura
- Tmeisken was jonck (De tusche in Busche)
- Tsat een (cleen) meskin
- Waer sij di han
- War willen wij metten
- Weet ghy wat mijnder jonghen herten
- Fuga
- -33. 5 Instrumentalstücke
Würdigung
Erst in jüngster Zeit ist das Bild Obrechts als bedeutendster Komponist der Frührenaissance neben Josquin Desprez deutlich geworden. Wie kaum ein anderer hat er die Entwicklung der Mess-Komposition in den 1480/90er Jahren vorangetrieben. Erst mit dem Siegeszug eines mehr wortgeprägten Stilideals, dessen hervorragendster Vertreter Josquin Desprez ist, verblasste Obrechts Ruhm.
Literatur
- Robert Eitner: Obrecht, Jacob in der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB), Bd. 24, S. 116119
Weblinks
- Obrechts Porträt
- Gemeinfreie Notenausgaben von Jacob Obrecht im International Music Score Library Project
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